Mulo Francel ist Saxophonist und Globetrotter. Mit seinem Ensemble Quadro Nuevo reist er seit 25 Jahren spielend um die Welt. Als wolle er sich einen Überblick verschaffen, steigt der mehrfache ECHO-Preisträger an all diesen Orten in die Höhe. Über acht Jahre hinweg haben er und seine musikalischen Gefährten auf den verschiedensten Gipfeln und Höhen auf dem ganzen Erdball Songs aufgenommen. Nun sind sie als Album mit dem Namen „Mountain Melody“ erschienen. Dazu beantwortet uns der Ausnahmekünstler einige Fragen.
Schon 2013 begannen Sie mit den Aufnahmen auf den Bergen. Was war damals die Idee dahinter und wie hat sie sich bis zur Veröffentlichung entwickelt?
„Es war die Faszination, dass dort oben die Weite des Blickes zur Melodie wird. In der Perspektive des Gipfels kann der Geist eine großzügige Haltung bekommen.
All die Probleme und Proportionen des Alltags bleiben im Tal. Das wirkt sich enorm auf die Musik aus, die man im Gebirge aufnimmt.
Im Verlauf des Projektes wurde es mir zum Anliegen, mit den Melodien auch ein paar Aussagen zu verknüpfen, die mir am Herzen liegen. Ein Beispiel: Nach dem Schulabschluss am Finsterwalder Gymnasium 1987 reiste ich durch Israel und Ägypten.
Auf der Halbinsel Sinai bestiegen wir den Berg, auf welchem einst Moses die Zehn Gebote erhielt. Im Schlafsack übernachteten wir auf dem Gipfel und hatten bei aufgehender Sonne einen atemberaubenden Blick über die einsame Bergwelt. Ich habe ihn nie vergessen.
Vor einem Jahr stieg ich wieder hinauf. Mit meinem ägyptischen Freund Basem Darwisch, der die Band Cairo Steps leitet. Mit Evelyn Huber, die eine biblische Harfe und das alte Santur mitbrachte. Mit Schriftstellern und Fotografen. Ganz hinauf, auf den höchsten Berg Ägyptens, den Mount Catherina (2.629 m). Von ihm aus sieht man gut hinüber zum etwas niedrigeren Mount of Moses.
Seine Zehn Gebote regeln das Zusammenleben der Menschen und deren Beziehung zu Gott. Über den Umgang mit der Schöpfung sagen sie leider nichts aus. Wir suchen das 11. Gebot: „SAVE THE EARTH“. Im Anblick der aufgehenden Sonne über dem Bergpanorama nahmen wir drei Lieder auf: The Wise (Der Weise), Invocation (Anrufung) und The 11 th Commandment (Das 11. Gebot), die ich später im Studio dann zu dem ergänzt habe wie sie jetzt auf dem Album zu hören sind, welches gerade als CD, LP und digital erschienen ist.
Die Berge, die Sie mit den anderen Musikern bestiegen haben um dort Musik zu machen, sind ja nun zum Großteil nicht gerade leicht zu erreichen, speziell mit Instrumenten und Aufnahmeausrüstung. Wie haben Sie denn das Equipment dorthin gebracht – und wieder zurück?
„Ja, das war natürlich manches Mal beschwerlich. Aber wir hatten immer gute Laune. Auf den knapp 3000 Meter hohen Göttersitz Olymp in Griechenland schleppten wir neben Saxophon und hochwertigem Recording-Equipment auch ein indisches Harmonium, eine Bass-Balalaika und ein Kupferröhren-Glockenspiel.“
Was macht die besondere Atmosphäre mit der Musik und den Musikerinnen und Musikern?
„Die absolute Höhe des Berges ist nicht immer entscheidend. Der Kraterrand von Vulcano nördlich von Sizilien liegt nur wenige hundert Meter über dem Meeresspiegel. Heißes Gestein. Dampfende Schwefelschwaden. Auf der einen Seite fällt das Auge hinab in den Vulkankegel. Hier hörten die Römer Vulcanus, den Gott der Schmiedekunst und des Feuers, hämmern. So wurde der Berg zum Namensgeber für alle Vulkane.
Der Sound des Saxophons hallt wie in einem riesigen Amphitheater. Auf der anderen Seite schweift das Auge über die mythendurchwehte äolische Inselwelt. Das Besondere ist, dass hier oben die Zivilisation schweigt. Keine Motoren, kein digitales Piepsen. Vereinzelt der Ruf einer Bergdohle. Als Störgeräusch in allen Frequenzbereichen der Wind. Oft mussten wir warten, bis er sich legt. Manchmal erhaschten wir ein Echo. Aber meist existiert keinerlei Raumakustik. Die völlige Offenheit der tonalen und visuellen Ausbreitung.“
Apropos Musikerinnen und Musiker: Sind diese auch alle begeisterte Bergsteiger oder waren sie etwas schwerer zu überzeugen von der Idee?
„Das ist eine lustige Frage. Ich bin in Riedering aufgewachsen. Ins Gebirge zu gehen war für mich immer eine Selbstverständlichkeit und ein Grundbedürfnis. Bei den Aufnahmen wurde mir erst klar, dass viele meiner Musikerfreunde anders ticken.
Tim Collins ist ein grandioser Virtuose am Vibraphon. Er kommt aus New York und war nie in den Bergen, fand die Idee jedoch spannend mit auf die Zugspitze zu kommen: „Yeah, Top of Germany, must be great!“
Mit vereinten Kräften schleppte ich mit der Band Quadro Nuevo unser und sein Intrumentarium auf den Südlichen Schneeferner, den letzten kläglichen Rest-Gletscher Deutschlands. In einer aufwendigen Aufnahme-Session spielten wir meinen Song „With or without the Glacier“ mit Tim ein. Später in der Hütte hat er ganz schön geflucht und klar gemacht, dass er gerne mit uns Musik macht, aber nicht mehr auf 3000 Metern!“
13 Songs, aufgenommen auf 13 Bergen, von den Lofoten zum Alpengletscher, vom Olymp bis zum Vulkan – das ist ja auch logistisch eine Leistung. Haben Sie die Aufnahmen jeweils langfristig geplant?
„Manche ja. Auf der Zugspitze brauchten wir für unsere zusätzlichen Video-Aufnahmen mit Drohne zum Beispiel eine Drehgenehmigung von den Bayerischen Staatsforsten. Manche Aufnahmen entstanden aber auch spontan aus der Begeisterung des Augenblicks. Auf dem über 4000 Meter hohen Shir Kuh im Iran hatte ich leider kein Instrument dabei. Mein Bergführer Aydin sang die uralte persische Melodie „Dance of Stars“ und ich trommelte auf Steinen dazu.“
Kann man die besondere Atmosphäre, die auf dem Album zu hören ist, auch auf die Bühne bringen?
„Schwierig, aber wir werden es am 15. März im KuKo versuchen. Da spiele ich mit Quadro Nuevo und dem oben erwähnten Tim Collins aus New York das Konzert zur Ausstellungseröffnung „Eiszeit“. Wir werden dabei auch einige Stücke des Albums Mountain Melody spielen und das auf den Gletschern gedrehte Video zeigen.“ nu