28 Länder wählen vom 23. bis 26. Mai das Europaparlament
Lange Zeit galten die Europawahlen als Wahlen von nachrangiger politischer Bedeutung. Das hat sich wohl in den letzten Jahren nachhaltig verändert. Themen wie die Sicherung der EU-Außengrenzen, ein etwaiger Beitritt der Türkei und nicht zuletzt der Brexit bestimmen seit Längerem die politische Agenda.
Nun haben nach fünf Jahren wieder die europäischen Bürgerinnen und Bürger das Wort: Rund 400 Millionen Wahlberechtigte in derzeit 28 Mitgliedsländern sind von 23. bis 26. Mai dazu aufgerufen, über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments abzustimmen. Wahltag in Deutschland ist wie bei den meisten anderen EU-Staaten auch Sonntag, 26. Mai.
Ein jeder Wähler hat bei den Europawahlen eine Stimme, die er einer im Europaparlament vertretenen Fraktion geben kann. In diesen Fraktionen haben sich über die Ländergrenzen hinweg die Parteien unterschiedlicher politischer Richtungen zusammengeschlossen. Direktkandidaten wie bei den Bundestags- oder Landtagswahlen gibt es nicht.
Alle denjenigen, die ihre Wahlentscheidung noch nicht getroffen haben, sei der „Wahl-O-Mat“ unter www. wahl-o-mat.de ans Herz gelegt, mit dem man seine eigenen Positionen mit denen der einzelnen Parteien, beziehungsweise Fraktionen abgleichen kann.
Und wer immer noch der Meinung ist, die Europäische Union kümmere sich ausschließlich um den Krümmungswinkel von Gemüsegurken, der kann auf der Internetseite „Was tut die EU für mich“ unter https://what-europe-does-for-me.eu/de/home nachlesen, inwieweit die eigene Region von der EU profitiert.
„Überall steckt Europa drin“, das ist auch die Erfahrung von Maria Noichl. Die Rosenheimer Sozialdemokratin ist seit 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments und berichtet in einem Gespräch mit der echo-Redaktion von ihrer Tätigkeit in Brüssel.
Wo im Alltag treffen Bürgerinnen und Bürger in Deutschland auf Entscheidungen aus Brüssel? Und können sie mit ihrer Wahlstimme auch entscheidend etwas verändern?
Maria Noichl: In unserem Alltag sind die europäischen Entscheidungen an allen Ecken und Enden zu spüren: Neben Frieden, Demokratie und Menschenrechte geht´s auch um ganz praktische Dinge: Die zweijährige Garantie für Elektrogeräte schützt Verbraucher (in Deutschland
waren es nur sechs Monate), die EU-Trinkwasserverordnung sorgt für sauberes Wasser, bei Putzmitteln wirkt die EU-Chemikalienverordnung – die strengste der Welt, das EU Biosiegel – ein Siegel mit Verlass, Verbot von Tierversuche für Kosmetika – europaweit, ….. bis hin zu 5900 Einzelprojekte in Deutschland in fünf Jahren mit Milliardensummen Fördergelder für Deutschland. Allein die Landesgartenschau in Rosenheim im Jahr 2010 wurde mit sieben Millionen von Europa gefördert. Überall steckt Europa drin.
Und bei der Wahl zählt jede einzelne Stimme. Gerade vor vier Wochen wurde mit einer hauchdünnen Mehrheit im Europaparlament eine wichtige Abstimmung zum Schutz der Lkw-Fahrer getroffen, die auf deutschen Straßen immer noch zu Hungerlöhnen unterwegs sind. Hier haben ein paar Stimmen Vorsprung für eine gute Entscheidung gesorgt. Deshalb: Wählen gehen! Jede einzelne Stimme zählt!
Die Regierungen einiger Mitgliedsstaaten, etwa in Ungarn oder Polen, machen anhaltend Stimmung gegen Brüssel oder weigern sich in der Zuwanderungs- und Asylfrage einvernehmliche, solidarische europäische Lösungen zu finden. Wie sollte man Ihrer Meinung nach mit diesen Ländern umgehen?
Maria Noichl: Das EU-Parlament und der Rat müssen hier geschlossen und geradlinig sein – und es auch bleiben. Wie beim Sport, gibt es auch in der EU Gelbe und Rote Karten. Ungarn hat nach einigen Gelben Karten im Herbst 2018 als erstes Mitgliedsland der EU die Rote Karte vom Parlament bekommen, weil demokratische Werte mit Füßen getreten werden. Ein klare Abmahnung mit einer satten Zweidrittel-Mehrheit. Kommt zu diesem klaren Signal aus dem Parlament auch noch eine Rote Karte aus dem Rat hinzu, kann die EU Ungarn sowohl Fördergelder streichen und als auch das Stimmrecht entziehen. Wenn Viktor Órban, als ungarischer Regierungschef, hier nicht umgehend deutlich auf die EU zugeht, sind wir gezwungen zu handeln. Es kann nicht sein, dass auf Dauer demokratische Gelder in undemokratische Staaten gelenkt werden. Die deutschen Steuerzahlen verlangen zurecht Geradlinigkeit und dies fordert klar umso mehr unsere Wertegemeinschaft, die auf Demokratie basiert.
Sie sind Mitglied im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung. Hier werden wichtige Entscheidungen, die unsere alle Lebensgrundlagen, Wasser Nahrung, Natur- und Artenschutz betreffen, gefällt. Bei den „FridaysForFuture“-Demonstrationen gehen derzeit Tausende von jungen Menschen auf die Straße um für den Natur- und Klimaschutz zu kämpfen. Nimmt die Europäische Union diese Demonstrationen und das Anliegen der jungen Genration ernst?
Maria Noichl: Ja, unbedingt. Denn die jungen Menschen haben zu 100 Prozent Recht. Politische Entscheidungen sind immer Abwägungsprozesse. Die jungen Menschen stellen sich eindeutig und für alle sichtbar auf eine Seite der Waage. Sie fordern ein: Gebt dem Klimaschutz mehr Gewicht! Als Sprecherin der SPD im Europaparlament für Agrarpolitik hilft mir dieser Rückenwind enorm. Auch in der Förderpolitik für Landwirtschaft muss Klimaschutz schwerer gewichtet werden. Dies war auch in den vergangenen Jahren immer meine Position. Die jugendliche Unterstützung zu bekommen ist wunderbar.