Rezeptblock war gestern
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Rezeptblock war gestern

Patientendaten-Schutz-Gesetz bringt viele digitale Neuerungen

Die Corona-Pandemie hält uns alle in Atem und bestimmt verständlicherweise seit Monaten die Diskussion im Lande. Dabei geraten allerdings oftmals andere aktuelle Themen in den Hintergrund. Wer kennt etwa das „Gesetz zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur“ oder kurz Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG)?

Es ist nach langer Vorbereitungszeit und vielen Diskussionen am 20. Oktober letzten Jahres in Kraft getreten und soll das deutsche Gesundheitssystem umfassend digitalisieren – mit spürbaren Auswirkungen auf alle Bürgerinnen und Bürger. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist von den Vorteilen für alle überzeugt: „Die Pandemie zeigt, wie wichtig digitale Angebote für die Versorgung von Patienten sind. Darum sorgen wir mit dem Patientendaten-Schutz-Gesetz dafür, dass Digitalisierung im Alltag ankommt. Dabei können sich Patienten jederzeit darauf verlassen, dass ihre Daten sicher sind. “

Herzstück des neuen Gesetzes ist die sogenannte Elektronische Patientenakte (ePA), die die Krankenkassen ab sofort ihren Versicherten zur Verfügung stellen müssen. In dieser lassen sich von Ärzten oder auch den Patienten Befunde, Arztberichte, Laboruntersuchungen oder Röntgenbilder ab sofort speichern; ab 2022 gibt es auch die Möglichkeit, den Mutterpass, das gelbe U-Heft für Kinder und das Zahn-Bonusheft dort abzulegen. Die Nutzung dieser ePA ist übrigens absolut freiwillig.

Die Vorteile einer derartigen Zusammenfassung aller Befunde und Untersuchungen liegen auf der Hand: Überflüssige Doppeluntersuchungen oder Folgebehandlungen können vermieden oder reduziert werden. Die Datenbasis, aufgrund derer sich Ärzte aber auch die Patienten und Patientinnen für eine bestimmte Therapie entscheiden können, wird größer. Völlig klar: Je besser Ärztinnen und Ärzte sowie weitere Leistungserbringer die Krankengeschichte ihrer Patientinnen und Patienten nachvollziehen können, desto besser können sie die geeignete Behandlung wählen.
Die Umsetzung bis zur gesetzesmäßigen Anbindung aller Ärzte und Zahnärzte in Deutschland an die ePA zum 1. Juli dieses Jahres erfolgt phasenweise. Zunächst können ab sofort alle Versicherten bei ihrer Krankenkasse eine derartige digitale Patientenakte einrichten. Zeitgleich erfolgt die Erprobung des Systems bei ausgewählten Leistungserbringern in Berlin und Westfalen-Lippe. Danach werden weitere 200 000 Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und Krankenhäuser angebunden, bis schließlich Mitte des Jahres die Einführung abgeschlossen sein soll.

Der Vergangenheit gehört dann bald auch das allseits bekannte Rezept an. Das Patientendaten-Schutz-Gesetz schreibt die verpflichtende Nutzung des E-Rezepts bei der Verordnung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ab Januar 2022 vor.

Patientinnen und Patienten können entscheiden, ob sie ihr E-Rezept per Smartphone und einer sicheren E-Rezept-App verwalten und digital an die gewünschte Apotheke ihrer Wahl senden wollen oder ob ihnen die für die Einlösung ihres E-Rezepts erforderlichen Zugangsdaten in der Arztpraxis als Papierausdruck ausgehändigt werden sollen.

Die Entscheidung und die Kontrolle über die elektronische Patientenakte und die darin gespeicherten Gesundheitsdaten liegen allein in der Hand der Patientinnen und Patienten: Man kann selbst bestimmen, ob und in welchem Umfang die elektronische Patientenakte genutzt werden soll, welche Daten in der Akte gespeichert oder auch wieder gelöscht werden sollen und welchem Behandler die Daten zur Verfügung gestellt werden sollen. Per Smartphone oder Tablet kann man mittels einer App die Akte einsehen, Dokumente speichern oder auch löschen.

Dass künftig sämtliche Gesundheitsdaten und Befunde zusammengestellt und vom Patienten verwaltet und kontrolliert werden können, das findet auch Sascha Straub von der Verbraucherzentrale Bayern gut und sinnvoll: „Es wurde ein wichtiger erster Schritt für eine bessere digitale Gesundheitsinfrastruktur gemacht, jedoch wird es noch dauern bis alle Funktionen auch richtig genutzt werden können.“ Bei einem wichtigen Aspekt übt der Rechtsexperte deutliche Kritik an dem Gesetz: „Unserer Meinung nach darf es nicht so sein, dass der Zugriff auf die elektronische Patientenakte und andere digitale Anwendungen und Daten nur über eine App, das heißt, mittels Smartphone oder Tablet für den Versicherten möglich ist. So droht allen Benachteiligung, die diese Geräte nicht nutzen können oder wollen. Sie wären damit von dieser Funktion ausgeschlossen und nicht in der Lage, eigenverantwortlich ihre persönlichen Daten zu verwalten. Es stellt sich wirklich die Frage, ob diese Lösung so verfassungskonform ist.“ Sascha Straub bedauert in diesem Zusammenhang, dass am Ende des langen Diskussions- und Entwicklungsprozesses letztendlich nur die App als einziger Zugang übrig geblieben ist: „In Erprobung waren Terminals an öffentlich zugänglichen Stellen, an denen man ebenfalls seine digitale Patientenakte verwalten konnte, und zwar ohne Smartphone oder Tablet. Dass diese Alternative jetzt einfach vom Tisch ist, ist sehr bedauerlich!“

Über die Einrichtung der Elektronischen Patientenakte informieren übrigens alle Krankenkassen. Vor dem Herunterladen der entsprechenden App muss man sich dort auch für die Nutzung der ePA registrieren lassen. ff

 

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