Nutri-Score kommt!
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Nutri-Score kommt!

Bundesrat stimmt Verordnung von Bundesministerin zu

Der Weg für die flächendeckende Nutzung des Nutri-Score ist frei. Am 9. Oktober hat auch der Bundesrat der entsprechenden Verordnung der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, zugestimmt.

Die Ministerin hatte entschieden, dieses System als erweitertes Nährwertkennzeichen auf der Vorderseite von Verpackungen in Deutschland einzuführen. Die Verordnung ermöglicht nun die rechtssichere Verwendung, sie wird nach der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt voraussichtlich Anfang November in Kraft treten. Der Nutri-Score ermöglicht es, auf einen Blick die Nährwerteigenschaften eines Lebensmittels zu erfassen und verschiedene Produkte innerhalb einer Produktgruppe miteinander hinsichtlich ihres Nährwertes zu vergleichen.

Julia Klöckner: „Die Einführung des Nutri-Score ist ein wichtiger Baustein unserer Ernährungspolitik in Deutschland, ein wichtiger Schritt hin zu einem stärkeren Bewusstsein beim Lebensmitteleinkauf und gegen versteckte Dickmacher. Für die Verbraucher schaffen wir Orientierung auf den ersten Blick, unterstützen sie damit, ihr Konsumverhalten an die persönliche Situation anzupassen. Sie sollen wissen können, was sie essen – mit dem Mehr an Information ermöglichen wir eine gesündere Ernährung. Zudem bleibt die Nährwerttabelle auf der Rückseite erhalten. Von den Unternehmen erwarte ich, dass sie Farbe bekennen und ihr Sortiment umfassend kennzeichnen. Sie müssen Transparenz schaffen, es den Verbrauchern so ermöglichen, ihre Erwartungen an ein Produkt mit der zusammenfassenden Nährstoff-Bewertung des Nutri-Score abgleichen zu können.“

Die Einführung des Kennzeichens begleitet das Bundesernährungsministerium mit einer umfassenden Informationskampagne für die Verbraucher und die Unternehmen. Unter www.nutri-score.de stehen Informationen, Expertenmeinungen, Antworten auf häufig gestellte Fragen, eine Erkläranimation sowie Publikationen zur Verfügung.

Die nationale Einführung von erweiterten Nährwertkennzeichen ist nach geltendem EU-Recht nicht verpflichtend möglich. Demgemäß gilt auch in Frankreich oder Belgien der Nutri-Score nicht verpflichtend, ebenso wenig wie etwa das Keyhole-System in Skandinavien. Mit der Unterstützung vieler weiterer Mitgliedstaaten setzt sich Bundesministerin Julia Klöckner daher für die Einführung einer einheitlichen Nährwertkennzeichnung in der EU ein.

Um eine Harmonisierung voranzubringen, hat die Ministerin im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft kürzlich Diskussionen zu diesem Thema eingeleitet. Ziel ist es, bei der Sitzung des EU-Agrarrats im Dezember, gemeinsame Schlussfolgerungen der Mitgliedsstaaten zu erreichen.
Hintergrund: Die fünfstufige Farb-Buchstabenkombination des Nutri-Score reicht von einem grünen A bis zum roten E und zeigt den Nährwert eines Lebensmittels an. Innerhalb einer Produktgruppe trägt ein Lebensmittel mit grüner A-Bewertung eher zu einer gesunden Ernährung bei als ein Produkt mit rotem E.
Doch bei aller Übersichtlichkeit hat die neue Kennzeichnung auch Nachteile. Der Nutri-Score stellt keine Nährstoffe einzeln dar. Wenn das interessiert, ist weiterhin auf die entsprechende Information in der Nährwert-Tabelle und dem Zutatenverzeichnis eines Lebensmittels angewiesen, die Hersteller aufdrucken müssen. Meist finden sie sich auf der Rückseite der Verpackung.

Auf Produkten, die nur aus einer Zutat bestehen (wie Olivenöl oder Fruchtsaft), ist der Nutri-Score nicht in jedem Fall sinnvoll. Ein Label wie der Nutri-Score (oder auch die britische Ampel) eignet sich besser für komplex zusammengesetzte und stark verarbeitete Lebensmittel.
Wie bei jedem System, das verschiedene Einflüsse in eine Gesamtwertung zusammenfasst: Schlechte Werte in manchen Bereichen lassen sich durch gute Werte in anderen ausgleichen. Ein Produkt mit gutem Nutri-Score muss nicht bei jedem einzelnen Inhaltsstoff gut abschneiden.

Auch die Freiwilligkeit der Kennzeichnung an sich wird kritisch gesehen, zum Beispiel von der Verbraucherzentrale Bayern. „Selbst wenn die Bundesregierung den Nutri-Score nun zügig offiziell in Deutschland erlaubt, bedeutet das noch nicht, dass anschließend alle Produkte ein vereinfachtes Nährwertlogo auf der Vorderseite tragen. Die Verwendung bleibt den Herstellern freigestellt. Nur die EU könnte aktuell eine verpflichtende Kennzeichnung vorschreiben. Für uns ist klar: Es braucht ein einheitliches, europaweites System, das für alle Hersteller Pflicht ist. Sonst droht ein Flickenteppich aus unterschiedlichen Darstellungen, die beim Einkauf kaum helfen, Zusammensetzungen und Inhaltsstoffe leicht zu bewerten und Produkte miteinander zu vergleichen.“
In Frankreich ist der Nutri-Score momentan freiwillig – aber wenn ein Hersteller eine vereinfachte Form der Nährwertkennzeichnung angeben möchte, darf er nur den Nutri-Score verwenden und muss ihn auch auf alle Produkte aufdrucken.

Längst nicht alle Hersteller nutzen das Label in Frankreich. Auch in Deutschland wollten einzelne Hersteller bisher freiwillig mit dem Nutri-Score anfangen. Der Rechtsetzungsprozess zur Verwendung des Nutri-Scores ist nun mit der Entscheidung des Bundesrats abgeschlossen. Die Verordnung soll im November 2020 in Kraft treten.
Auch danach bleibt so eine Kennzeichnung freiwillig. Und das bedeutet: Es lassen sich nicht alle Lebensmittel im Geschäft miteinander vergleichen. Kommen noch weitere Labels auf, droht ein Flickenteppich unterschiedlicher Kennzeichnungsmodelle.  nu

 

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