Machen Glücksspiele glücklich?
epaper

Machen Glücksspiele glücklich?

Bundesweiter Aktionstag Glücksspielsucht auch in Rosenheim am Max-Josefs-Platz

Wer auf google maps nach Spielhallen in Rosenheim sucht, bekommt zehn Treffer, plus zwei weitere in Kolbermoor. Aber das sind nur die Anbieter, die ihr Etablissement bei google maps auch angemeldet haben. Dazu kommen Spielautomaten in Kneipen und Gaststätten, die rund um TV-Übertragungen von Sportveranstaltungen so eifrig beworbenen Sportwetten, legale und illegale Online-Angebote. Und natürlich diejenigen Spielhallen und Casinos, die keinen Google-maps-Eintrag haben.
Ihnen allen ist eins gemeinsam: es geht um Glücksspiele, und die können Menschen krank machen, suchtkrank. Fachleute sagen auch pathologisches, also krankhaftes Spielen dazu. Allein in Bayern leben über 30 000 Betroffene, die ihr Verhalten nicht mehr kontrollieren können, sondern immer weiterspielen müssen. Sie stehen unter großem Leidensdruck.
„Bei Glücksspielern ist die Suizidrate im Vergleich zu anderen Suchtkranken extrem hoch“, berichtet die Suchtberaterin Andrea Povolny von der Fachstelle Glücksspielsucht der Diakonie Rosenheim. „Denn es geht um die gesamte Existenz. Manche haben Schulden in sechsstelliger Höhe.“ Wenn sich dann noch die Familie abwendet oder erst gar keine sozialen Beziehungen vorhanden sind, wird es besonders kritisch.
Rund vierzig bis fünfzig Betroffene, fast ausschließlich Männer, suchen pro Jahr die Fachstelle Glücksspielsucht auf. Andrea Povolny weiß, wie viel Überwindung es kostet, sich Hilfe zu suchen. Was ihre Klienten in der ersten Beratung am häufigsten zu ihr sagen, sei ‘Ich schäme mich so’ und ‘ich fühle mich so schuldig’.
Andrea Povolny betont den wichtigen Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung: „Die Klienten können nichts dafür, denn es ist eine Krankheit. Aber die Verantwortung, etwas dagegen zu tun, haben sie natürlich schon.“
Wer den Weg in die Fachstelle findet, bekommt Hilfe. Die Betroffenen haben Anspruch auf eine Therapie, die je nach Lebenssituation ambulant, teilambulant oder auch stationär stattfinden kann. Wenn nötig, werden die Klienten auch an die Schuldnerberatung weitervermittelt.

Um über die Probleme rund um pathologisches Spielen aufzuklären, findet immer am letzten Septembermittwoch bundesweit der Aktionstag Glücksspielsucht statt. In Bayern koordiniert die Landesstelle Glücksspielsucht, kurz LSG, die Aktion in 24 Städten. Insgesamt werden 26 Fach- und Kompetenznetzwerkstellen beteiligt sein, darunter auch die Fachambulanz für Suchterkrankungen in Rosenheim. Thema des Aktionstags, der dieses Jahr am 27. September stattfindet, ist Prävention, mit besonderem Augenmerk auf junge Menschen. Denn, darin sind Fachleute sich einig, frühzeitige Aufklärung und Prävention bereits im Jugendalter ist entscheidend. Jugendliche können Risiken oft noch nicht richtig einschätzen und sind aufgrund ihres Alters häufig auch recht risikofreudig. „Beim Glücksspiel kann das eine gefährliche Kombination sein“, so die LSG.
Die geplante Mitmachaktion „Maß halten“ findet in Rosenheim am 27. September von 11 bis 15 Uhr am Max-Josefs-Platz statt. Passanten haben Gelegenheit, ihre Einschätzung zu drei Fragen rund um das Thema Glücksspiel abzugeben und diese Einschätzung auch im Verhältnis zu anderen Antwortenden zu visualisieren, indem sie entsprechende Sticker auf großen Bodenplanen aufkleben.
Ziel des Aktionstags ist auch, gerade mit jungen Leuten über Glücksspiele und die damit verbundenen Gefahren ins Gespräch zu kommen. Auch hoffen die Suchtexperten, durch die Einteilung in zwei Altersgruppen Erkenntnisse über die Einstellung junger Menschen zu glücksspielbezogenen Themen wie Geld und Risiko zu gewinnen.

Eine der Frage auf den Bodenplanen der Mitmachaktion wird lauten: Machen Glücksspiele glücklich?
Eine Antwort könnte lauten: höchstens diejenigen, die damit reich werden. Das sind die Betreiber der Spielhallen, Wettbüros und Online-Casinos, aber nicht diejenigen, die Glücksspiele spielen. gh

Anzeige