Mehrgenerationenhaus und Jugendarbeit der AWO in Corona-Zeiten
„Es geht darum, in den schwierigen Zeiten von Pandemie und Schließungen den Kontakt zu den Menschen zu halten!“, so bringen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Rosenheim ihre Arbeit auf den Punkt. Sie erleben täglich, wie die viel zitierte, und doch zur Infektionsvermeidung unerlässliche, „soziale Distanz“ Jung und Alt zu schaffen macht.
So berichtet Lena Lerpscher vom AWO-Jugendtreff „iNNSEKT“ Wasserburg, der seit Anfang Dezember letzen Jahres wieder geschlossen ist, von erschwerten Bedingungen in der Offenen Jugendarbeit. Über verschiedene soziale Medien und Netzwerke versuchen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, den Kontakt zum Stammpublikum der Jugendtreffs zu halten und im Gespräch zu bleiben. „Vorherrschend ist bei vielen jungen Menschen das Gefühl, nur noch als Schüler funktionieren zu müssen. Alle anderen Aktivitäten, Freizeitgestaltung, Treffen mit Freunden, Sport im Verein ist stark eingeschränkt oder fällt aus“, so Lena Lerpscher. So wichtige Fix- und Höhepunkte im Leben, wie Schulabschluss oder Geburtstage, könnten nicht gebührend gefeiert und so gewürdigt werden. Und sie ergänzt: „Natürlich sind die allermeisten Jugendlichen vernünftig und halten sich im Interesse der Gemeinschaft an die Hygiene- und Abstandsregeln. Doch bei vielen bleibt der Eindruck, bei allen Diskussionen nicht richtig beachtet zu werden.“ „Keiner fragt uns“, das höre sie öfter von Kindern und Jugendlichen.
Zudem haben Lena Lerpscher und ihre Kolleginnen und Kollegen festgestellt, dass die fehlende Tagesstruktur, etwa durch Distanzlernen, bereits belastete Jugendliche noch mehr in Schwierigkeiten bringt. Das sieht auch Klaus Schindler, Abteilungsleiter Soziale Dienste der AWO, so: „Im Austausch mit anderen Verbänden und Einrichtungen stellen wird leider fest, dass sich bei einzelnen Kindern und Jugendlichen durch die soziale Isolation psychische Probleme manifestiert und verstärkt haben, von Essstörungen bis hin zu Suizidgedanken. Eine bedenkliche und traurige Entwicklung, der es entgegenzutreten gilt!“
Trotzdem schauen Lena Lerpscher und ihre Kolleginnen und Kollegen mit Optimismus in die Zukunft: „Wir hoffen sehr, dass die Inzidenzzahlen bald sinken und sich so auch die Möglichkeit zur Öffnung der Jugendtreffs ergibt. Es sind viele tolle Projekte am Start, für die wir selbstverständlich auch schon Hygienekonzepte erarbeitet haben!“ So wartet etwa immer noch ein, der Offenen Jungendarbeit des Kreisjungendrings gespendeter, Bus darauf, mit Graffiti künstlerisch gestaltet zu werden.
Mit etwas Wehmut schaut auch Tina Matousek vom Rosenheimer AWO-Mehrgenerationenhaus auf die derzeit ziemlich leeren Räumlichkeiten des Gebäudes in der Ebersberger Straße. Vor Ausbruch der Pandemie fanden hier unzählige Kurse, Beratungsangebote, Treffen und Veranstaltungen für alle Altersgruppen und Interessen statt.
Doch derzeit können sämtliche Präsenzveranstaltungen, mit Ausnahme medizinisch indizierter Selbsthilfegruppen unter strengen Auflagen, nicht stattfinden. Tina Matousek: „Natürlich versuchen auch wir im Mehrgenerationenhaus, den Kontakt zu unseren Gästen nicht abreißen zu lassen. Gerade für die ältere Generation ist der Wegfall der regelmäßigen Treffen ein schwerer Schlag. Und mein Eindruck ist, dass viele Seniorinnen und Senioren vereinsamen.“ Sie berichtet etwa von einem älteren Mann, für den die regelmäßige „Kaffeezeit“ mit anderen Gästen der Höhepunkt im Lebensrhythmus war, der Termin, auf den er sich wochenlang freute. Auch für Senioren und Seniorinnen, denen ein Ehrenamt in einer der Gruppen Halt und Gemeinschaft gab, sei eine wichtige Stütze ihres Lebens derzeit weggebrochen. Doch auch Sie sieht mit verhaltenem Optimismus in die Zukunft. So freue es sie sehr, dass verschiedene Angebote, wie Yoga, Gedächtnistraining oder Meditation nun online angeboten werden. „Viele Seniorinnen und Senioren sind durchaus interessiert und beschäftigen sich mit den Neuen Medien“, erzählt Tina Matousek. Allerdings, so geben sie und Klaus Schindler zu bedenken, gäbe es viele Bürgerinnen und Bürger, die auf diese Plattformen und Kanäle aus verschiedensten Gründen nicht zugreifen können oder wollen. Klaus Schindler: „Menschen, die aus finanziellen Gründen kein Smartphone und Tablet haben oder kein Internet, die sich mit der Technik nicht mehr auseinandersetzen können oder wollen oder auch nicht ausreichend der deutschen Sprache mächtig sind, werden einfach von der gesellschaftlichen Teilhabe teilweise ausgeschlossen.“
Auch viele besondere Angebote, etwa das Schülerpatenprojekt mit Kindern aus der Grundschule Erlenau oder das Alpha-Patenprojekt, für funktionale Analphabeten, sind ohne persönlichen Kontakt nur ganz schwer umsetzbar. Auch hier setze man, so Tina Matousek auf unkonventionelle Lösungen, etwa mit Briefen beziehungsweise mit Kontakt über Zoom oder bei einem Spaziergang.
Insgesamt zuversichtlich stimmt übrigens alle drei Mitarbeiter der Arbeiterwohlfahrt die große Bereitschaft, quer durch alle gesellschaftlichen Gruppen spürbar, zu helfen und Neues auszuprobieren: „Wir erleben große Solidarität und Verständnis füreinander sowie viel Kreativität, kon-struktive Lösungen zu finden. Das macht uns wirklich Mut!“
Über sämtliche Angebote im Mehrgenerationenhaus, von der Digitalen Mediensprechstunde für Senioren, Schuldnerberatung, den Patenprojekten bis hin zu Kursen und Selbsthilfegruppen, kann man sich unter Telefon 0 80 31/94 13 73-21 sowie unter awo-rosenheim.de informieren. Online sowie auf Facebook und Instagram gibt es auch Informationen zu den Jugendtreffs der AWO. Franziska Finsterwalder