Hilfetelefon „Gewalt an Männern“
Vor einem Jahr starteten die Landesregierungen von Bayern und Nordrhein-Westfalen ein bundesweit bisher einmaliges gemeinsames Projekt: Unterstützung und Hilfe für von Gewalt betroffene Männer. Mit dem Hilfetelefon „Gewalt an Männern“ wurde ein Unterstützungsangebot für Männer geschaffen, das in seiner Form deutschlandweit das Erste und Einzige ist. Unter der Telefonnummer 08 00/ 1 23 99 00 können sich Männer melden, die von verschiedenen Arten von Gewalt betroffen sind. Zusätzlich finden Betroffene sowie deren Angehörige aber auch Fachkräfte auf der Internetseite maennerhilfetelefon.de ein digitales Beratungsangebot.
Unsere Wochenzeitung unterhielt sich darüber mit Birgit Gaile, Fachbereichsleitung Gender, „via – Wege aus der Gewalt“ der Arbeiterwohlfahrt Augsburg.
Sie steht als eine Ansprechpartnerin betroffenen Männern am Telefon zur Seite.
Gewalt hat viele Gesichter: psychische oder physische, im häuslichen Umfeld oder im öffentlichen Raum, Mobbing oder sexualisierte Gewalt. Mit welchen Formen sind die Männer, die bei Ihnen Hilfe und Rat suchen, konfrontiert?
„Gewaltbetroffene Männer rufen meist in einer akuten Notsituation bei uns am Männerhilfetelefon an, oder sie haben Gewalt in der Kindheit erlebt und die Gewalterfahrungen beschäftigen sie nach wie vor intensiv. Männliche Gewaltopfer berichteten an der Hotline oftmals erstmalig von der erlittenen Gewalt. Das Spektrum der Übergriffe war dabei vielfältig und breit gefächert: Häusliche und sexualisierte Gewalt, körperliche und seelische Misshandlungen in der Kindheit, Mobbing am Arbeitsplatz, Zwangsverheiratung, Gewalt mit Diskriminierungsbezug, Gewalt im öffentlichen Raum sowie (Cyber)-Stalking.
Die betroffenen Männer an der Hotline waren zuhause sowohl physischer als auch psychischer Gewalt ausgesetzt, zudem erlebten sie sexualisierte Übergriffe. Nicht immer waren die Frauen die Täterinnen, ebenso fanden Gewalt und Grenzverletzungen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften statt. Wenig erreicht werden konnten junge Männer, die Gewalt auf öffentlichen Plätzen und im Freizeitbereich erfahren hatten. Im Dunkelfeld ist dies statistisch gesehen eigentlich die häufigste Zielgruppe. In den meisten Fällen handelte es sich bislang um Gewalt in engen sozialen Beziehungen, neben den Ehefrauen wurden Familienangehörige am häufigsten als Täter und Täterinnen genannt.“
Das Eingeständnis, von Gewalt betroffen zu sein, ist gerade für Männer noch ungeheuer schambesetzt und schwer. Wie erklärt sich das? Und wie kann man auch in der Beratung und Hilfestellung angemessen damit umgehen und Lösungsstrategien entwickeln?
„Männliche Gewaltopfer sind in der Gesellschaft meist noch ein Tabuthema. Gewalttätige Übergriffe erleben zu müssen passt nicht ins tradierte Rollenbild. Die Frage nach Unterstützung war am Hilfetelefon von Anfang an sehr hoch. Die meisten Männer waren erleichtert, dass es das Hilfetelefon als niedrigschwelliges Angebot nun gibt. Die Beratung ist komplett anonym, das ist für Betroffene wichtig.
Männer fühlen häufig große Scham, wenn sie Opfer von Beziehungsgewalt werden. Gewalt kann jedoch jeden treffen, sie findet zudem in allen Bildungsschichten und Milieus statt. Für alle Formen der Gewalt sollen spezifische Hilfen aufgezeigt werden, die Beratung ist ganz individuell. Es wird Rückhalt gegeben und weiterführende Unterstützung wird angeboten. Am Hilfetelefon geht es um die Entwicklung von Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten, damit Männer das Gefühl von Ausweglosigkeit und Bedrängnis überwinden können.
Auch Mobbing ist eine Form von Gewalt. Männer werden von ihrem Vorgesetzten regelmäßig angeschrien, vor oder von ihren Kollegen gedemütigt oder als Versager hingestellt. Sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz wurde ebenso am Hilfetelefon thematisiert. Hier hilft es beispielsweise Kontakt zu einer Ombudsstelle oder zum Betriebsrat aufzunehmen.
Welche Möglichkeiten und Hilfsangebote gibt es? Was raten Sie Männern, die von Gewalt betroffen sind?
„Vielfach wollten die Männer zunächst nur reden, sie brauchten jemanden, der Ihnen zuhört, und dem sie vertrauen konnten. Die Mehrheit der Betroffenen benötigte Beratung zum Schutz vor erneuter Gewalt. Außerdem machten sich bei Beziehungsgewalt die Männer Sorgen, welche Auswirkungen eine mögliche Trennung auf die Kinder haben würde.
Es wurden (rechtliche) Informationen weitergegeben und wenn gewünscht ins regionale Hilfesystem vermittelt, zum Beispiel Ehe- und Familienberatungsstelle, Männerberatungsstelle, Männerschutzwohnung, Polizei „Beauftragte für Opferschutz“. Weitere Bedarfe waren die gesundheitsbezogene Unterstützung sowie die psychosoziale Beratung. Männer müssen Gewalterfahrungen nicht länger mit sich selbst ausmachen. Wir möchten Männer ermutigen, sich am Hilfetelefon zu melden. Informationen über Hilfsmöglichkeiten erhalten gewaltbetroffene Männer zudem unter bayern-gegen- gewalt.de“ ff