Internationaler Weltfrauentag feiert 100 Jahre Frauenwahlrecht
„Ich möchte hier feststellen …, dass wir deutschen Frauen dieser Regierung nicht etwa in dem althergebrachten Sinne Dank schuldig sind. Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist.“
Das waren am 19. Februar 1919 die Worte von Marie Juchacz aus Berlin, die als erste Frau in der Weimarer Nationalversammlung sprach. Natürlich war der SPD-Politikerin bewusst, dass diese Selbstverständlichkeit, das am 30. November 1918 eingeführte allgemeine aktive und passive Wahlrecht für Frauen, noch wenige Jahre zuvor kaum denkbar war und die Verfechterinnen und Verfechter der Idee auf größten Widerstand stießen. Mit heute – und für fortschrittlich Denkende auch damals – krude erscheinenden pseudowissenschaftlichen, soziologischen, medizinischen und religiösen Argumenten wurde das Ansinnen der Frauen auf gleiche Rechte versucht abzuschmettern.
Vorangegangen waren Länder wie Finnland (1906), Norwegen (1913) und Dänemark (1915), während es in den USA bis zum Jahre 1920 dauerte und in der Schweiz gar bis 1971, bis die Frauen das volle Wahlrecht in Anspruch nehmen konnten. Das Schlusslicht in Europa bildete 1984 der Zwergstaat Liechtenstein.
Das Wahlrecht war ein Meilenstein auf dem Weg hin zu gleichen Rechten für alle Menschen. Doch es folgten 100 Jahre des Kampfes
für eine weitergehende, völlige Gleichberechtigung. Viel Kraft, Mut und Engagement der fortschrittlichen Frauen und ihrer Unterstützer wurden abverlangt, bis eine Hürde nach der anderen fiel – fallen musste. Denn die Widerstände waren groß. Wer heute von Selbstverständlichkeit spricht, sollte wissen, dass es noch kaum 40 Jahre her ist, dass eine Ehefrau noch der schriftlichen Einwilligung ihres Gatten bedurfte, bevor sie eine Arbeitsstelle annehmen konnte. Und vor noch gut 30 Jahren war es das Recht des Ehemanns, den Beischlaf mit seiner Frau auch mit Gewalt zu erzwingen. Und das in einer Zeit, in der eigentlich Körperverletzung und Vergewaltigung schwer bestraft wurden, ebenso wie heute. Selbstverständlich.
Noch immer ist der Weg zur Gleichberechtigung nicht zu Ende gegangen und wenn man das Tempo zugrunde legt, das bisher vorherrschte, dann kann es noch eine Weile dauern, bis gleicher Lohn für gleiche Arbeit und vieles andere erreicht sind. Auch deshalb sind alle aufgerufen, Frauen und Männer gleichermaßen, diese Prozesse immer wieder anzustoßen und dafür zu sorgen, dass die Dinge sich schneller entwickeln als bisher.
Und sollte dann die Gleichberechtigung irgendwann verwirklicht sein, nicht nur auf dem Papier, sondern auch im täglichen Berufs-, Familien- und Alltagsleben, dann wird es Zeit, sich wieder an Marie Juchacz‘ Worte zu erinnern. Denn dann ist das Selbstverständliche erreicht, und keine Frau muss sich dafür bedanken. Im Gegenteil, es werden viele Entschuldigungen fällig dafür, dass es solange gedauert hat.
Wie in jedem Jahr gibt es auch 2018 in und um Rosenheim eine ganze Reihe informativer und auch unterhaltsamer Veranstaltungen, die den Fokus der Menschen auf diese Weise auf die Entwicklung der Rechte der Frauen lenken. Mehr dazu im Artikel auf dieses Seite. nu