Große Tradition als Brauereistadt
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Große Tradition als Brauereistadt

Geschichte der Rosenheimer Bierkeller

Der Hofbräu-Keller an der Ebersberger Straße, der Flötzinger Keller am Roßacker oder auch der Schmid-Bräu-Keller am Innufer, diese und viele andere Wirtshausnamen sind den älteren Rosenheimerinnen und Rosenheimern wohlvertraut und mit unzähligen schönen Erinnerungen verbunden. Rosenheim hat eine große Tradition als „Bier- und Brauereistadt“ und eng verknüpft mit dem süffigen Gerstensaft sind auch die Wirtschaften und Bierkeller.

Der Zusatz „Keller“ verweist dabei auf eine interessante Tatsache: 1539 setzte eine Bayerische Brauordnung fest, dass Bier nur zwischen dem 29. September, dem Tag des heiligen Michaels, und dem Georgitag, 23. April, gebraut werden durfte. Hintergrund war, dass Bier in den heißen Sommermonaten leicht verderben konnte, außerdem fürchtete man in den dicht bebauten Städten die Brandgefahr beim Siedevorgang. Um das kostbare Gut Bier kühl lagern zu können, legten die Rosenheimer Brauer eigene Bierkeller in den nahe gelegenen Hängen an: In der Innenstadt konzentrierte man sich dabei auf den Roßacker, das östliche gelegene Hochufer des Inns und einige Höhenrücken im Westen.

Diese Lagerkeller, tonnengewölbte Räume mit Lüftung, garantierten eine gleichmäßig kühle Temperatur auch in den Sommermonaten. Den Kellerhäusern über den Lagern, Zweckbauten mit Fässern und anderen Utensilien, spendeten davor gepflanzte Laubbäume Schatten. Zunächst war die Ausgabe von Bier den Brauern untersagt und nur den Braugaststätten und Wirtshäusern in der Innenstadt erlaubt. Erst eine königliche Verordnung im Jahr 1812 erlaubte den Ausschank von frischem, kühlem Bier direkt aus dem Lagerkeller an Gäste in den Monaten Juni bis September. Die Bewirtung mit anderen Speisen außer Brot und Bier war dagegen untersagt, weshalb die Bierkellerbesucher oftmals ihre eigene Brotzeit mitnahmen.

Zur Vergnügung der Gäste ließen die Brauer oftmals auch Musikkapellen oder Komiker auftreten; der besuch „auf dem Keller“ wurde zu einem großen gesellschaftlichen Vergnügen.

Zentrum in Rosenheim war dabei der Roßacker, an dem im Jahr 1900 noch acht nahe beinanderliegende Bierkeller, darunter der Pernloher-Keller, der Mail-Keller und der Flötzinger Keller, sowie Imbissbuden mit Käse und Wurst lockten.

Mit Einführung der elektrischen Kühlanlagen zu Beginn des 20. Jahrhunderts verloren die Kellerwirtschaften nicht nur ihre ursprüngliche Funktion als Bierlager, sondern auch zunehmend ihre Anziehungskraft. Die Rosenheimerinnen und Rosenheimer suchten mit dem Fahrrad, dem Automobil oder der Eisenbahn neue, von der Stadt entfernte Ausflugsziele auf. Auch später, nach dem Zweiten Weltkrieg und den folgenden Jahren des Wirtschaftswachstums, konnten die Kellerwirtschaften nicht mehr an ihre große Zeit anknüpfen und wurden nach und nach geschlossen oder abgerissen. So wurde im Jahr 1973 eine der wohl beliebtesten Bierkellerwirtschaften, der Hofbräu-Keller abgerissen.

Eine umfangreiche und sehr informative Zusammenfassung der Geschichte der Rosenheimer Bierkeller gibt übrigens der Katalog zur Ausstellung „Auf den Keller gehen – Alte Rosenheimer Bierkellerwirtschaften und die Stammtischgesellschaft des Fünferl-Vereins“ aus dem Jahr 2003, der von Karl Mair geschrieben wurde.
Erhältlich ist dieser im Stadtarchiv Rosenheim. Informationen gibt es auch unter www.stadtarchiv.de/ shop/sonderveroeffentlichungen/.

 

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