Migrationsberatung der Arbeiterwohlfahrt hilft mit individueller Beratung weiter
Auch die Migrationsberatungsstellen in Deutschland wurden während der Corona-Pandemie vor große Herausforderungen gestellt. Sie begleiten neu Eingewanderte und Geflüchtete nach ihrer Anerkennung sowie Asylsuchende und Geduldete mit sogenannter „guter Bleibeperspektive“, bieten kostenlose, individuelle Beratung und ermöglichen ihnen gesellschaftliche Teilhabe. Bundesweit haben im letzten Jahr, umgerechnet auf Vollzeitstellen, 1040 Migrationsberaterinnen und -berater mehr als 305000 Ratsuchende betreut.
Zwei dieser Kräfte sind Müjgan Celebi und Ricardo Witthinrich-Rogerio von der Migrationsberatung der Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Rosenheim. Anlässlich des bundesweiten Aktionstages der Migrationsberatung am 30. Juni sprach unsere Redaktion mit ihnen über ihre Arbeit.
Welche Aufgaben hat die Migrationsberatung?
„Wir beraten und begleiten, wie übrigens auch unsere Kollegen und Kolleginnen von den Migrationsberatungsstellen der Diakonie und der Caritas in Rosenheim, kostenfrei Zuwanderinnen und Zuwanderer ab 27 Jahren in allen Lebensbereichen: von rechtlichen Fragen zum Aufenthalt, Berufsausbildung und Anerkennung von Berufsabschlüssen, Hilfe beim Ausfüllen von Anträgen und Formularen bis hin zu wirtschaftlichen Fragen und zur Vermittlung von Sprach- und Integrationskursen. Manchmal ist die Beratung mit der Lösung eines konkreten Problems, einer konkreten Antwort abgeschlossen. Oftmals ist ein umfassendes „Case Management“ nötig. Das heißt, wir erarbeiten gemeinsam mit dem Ratsuchenden bedarfsentsprechend für den Einzelfall die nötige Förderung, Unterstützung und Begleitung. Gerade das war pandemiebedingt im letzten Jahr nicht immer einfach. Die Begleitung und die Lösung komplexer familiärer oder psychosozialer Probleme braucht den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses. Videokontakte konnten nur dann weiterhelfen, wenn die technischen Voraussetzungen bei den Betroffenen vorhanden waren.“
Die Pandemie hat sich also auch auf ihre Arbeit ausgewirkt?
„Natürlich haben Lockdown und Hygienebeschränkungen den Kontakt zu unseren Klientinnen und Klienten schwerer gemacht. Und zugleich auch den Fokus auf ein anderes Problem gelenkt: Wir hatten unglaublich viel Beratungsbedarf bezüglich Homeschoolings. Viele der von uns begleiteten Familien scheiterten an den technischen Voraussetzungen oder dem nötigen Know-how, um ihren Kindern den entsprechenden Bildungszugang bieten zu können.“
Welche konkreten Probleme und Anliegen haben die Menschen, die zu ihnen kommen?
„Am besten machen wir das an einem konkreten Beispiel fest: Mahmut Z. stammt aus Afghanistan. Obwohl er in seiner Heimat nie eine Schule besuchte, hatte er als Gemüsebauer dort sein Auskommen und gründete eine Familie. Vor einigen Jahren floh er jedoch mit Frau und zwei Kindern vor den Kriegswirren in seiner Heimat. Heute ist er anerkannter Asylbewerber und wohnt im Landkreis Rosenheim – in einer für seine mittlerweile bald fünfköpfige Familie – zu kleinen, überteuerten und schimmelbelasteten Wohnung. Sein Alltag besteht vorwiegend aus der Sorge für seine Familie. Hierbei hat er aber mit vielen – für ihn und seinen Erfahrungshintergrund – vollkommen neuen und verwirrenden Problemen zu kämpfen: Anträge müssen gestellt werden, Verträge abgeschlossen, Schreiben aus der Kita oder der Schule seiner Kinder gelesen und verstanden werden, die beiden älteren Söhne wollen zum örtlichen Sportverein – auch hier muss etwas unterschrieben werden…..
Zwar hat Mahmut Z. mittlerweile Lesen und Schreiben gelernt und auch eine Unterhaltung in deutsch ist auf einfachem Niveau mit ihm möglich, doch die Flut an Papieren und Formulierungen bereitet ihm weiter Unbehagen und vieles, was darin steht, bleibt ihm und seiner Frau unverständlich. Er will alles tun, um seine und die Situation seiner Familie positiv zu entwickeln. So meldete er sich bei einer Fahrschule an um dann als Fahrer arbeiten zu können, er will unabhängig vom ALG II werden. Allerdings bemerkte er zu spät, dass die Kosten für die Fahrstunden das Budget seiner Familie überfordert, da hatte er was falsch verstanden.
So gilt es für uns mit Mahmut Z. und seiner Frau Finanzpläne zu entwickeln damit der Elternbeitrag in der Kita, der Sportvereinsbeitrag, die Wohnung, der Lebensunterhalt und die berufliche Neuorientierung bezahlt werden können.
Ein Umzug in eine bessere und größere Wohnung ist derzeit ein weiteres Ziel, ebenso wie Sprachkurse und die Suche nach einer Arbeitsstelle.“
Die Bundeskonferenz der Arbeiterwohlfahrt hat kürzlich von der Bundesregierung einen Rechtsanspruch auf Beratung für Migrantinnen und Migranten sowie finanzielle Planungssicherheit für die Hilfsangebote gefordert.
„Das können wir nur unterstreichen, wir leisten hier in der Beratung eine wichtige, integrative Arbeit. Die Zahlen geben uns übrigens dabei recht. Bundesweit ist im Jahr 2019 bei den abgeschlossenen Fällen der Anteil der ratsuchenden, die zu Beginn der Beratung ALG II-Leistungen bezogen hatten, von 61,1 auf 39,1 Prozent zu Beratungsende zurückgegangen. Die Forschungsstudie `Zehn Jahre MBE` stellt außerdem fest, dass in 88 Prozent der Beratungsfälle eine spürbare Verbesserung der Lage erreicht werden konnte.“ ff