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Gemeinsam gedenken
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Gemeinsam gedenken

Gemeinsam gedenken
Plakataktion erinnert an jüdische Geschäftsleute in Rosenheim
Vor 82 Jahren, am 9. November 1938, wurden auch in Rosenheim jüdische Geschäfte zerstört und geplündert. Unter den jüdischen Rosenheimern gab es besonders viele Geschäftsinhaber und ihre Familien.
Durch die Corona-Pandemie ist – anders als in den letzten Jahren – ein gemeinsames Gedenken heuer kaum möglich. Daher kam den Mitgliedern der „Initiative Erinnerungskultur – Stolpersteine auch für Rosenheim“ die Idee, heutige Geschäftsinhaber zu bitten, gemeinsam für ein öffentlich sichtbares Gedenken an die früheren Kollegen zu sorgen und ein dafür gestaltetes Plakat auszuhängen.
Viele jüdische Rosenheimer waren Geschäftsinhaber. Sie wurden von den Nationalsozialisten verfolgt, vertrieben, ermordet. Sie sollen nicht vergessen werden. „Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah, aber dafür, dass es nie wieder geschieht“, dieses Zitat Max Mannheimers soll dafür der Leitgedanke sein.
Für diese Aktion eignet sich besonders der Zeitraum zwischen dem 9. November, dem Jahrestag der Pogromnacht 1938, und dem 27. Januar, dem Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz 1945. An diesem Internationalen Holocaust-Gedenktag wird in den sozialen Medien seit Jahren auch mit dem Hashtag #WeRemember erinnert. Heuer hat sich beispielsweise auch der Bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder mit einem Foto daran beteiligt.
Eines zahlreicher Schicksale: Der Kaufmann Alexander Wiener kam im Jahr 1899 nach Rosenheim. Er war Inhaber eines Geschäfts in der Innstraße 22 (bis 1928) und eines weiteren in der Münchner Straße 28, welches er am 27. Oktober 1938 abmelden musste. Im selben Jahr reiste er zwangsweise mit seiner Familie in die Slowakei aus. Laut Informationen der Datenbank Yad Vashem wurde er im April 1942 aus Trnava (Slowakei) deportiert und am 6. September 1942 in Maidanek ermordet. Seine Frau Frieda Wiener, geborene Selz, wurde aus Prag über Theresienstadt nach Zamosc deportiert und ermordet. Der Tochter Charlotte gelang von Prag aus die Flucht auf die Philippinen.
Mit Dr.  Thomas Nowotny von der Initiative Erinnerungskultur sprachen wir über die Aufnahme der kürzlich begonnenen Aktion.
Kann man, kurz nach Beginn der Aktion, schon etwas über die Rezeption sagen, gibt es schon Geschäfte, die sich beteiligen?
„Es gibt eine Reihe von Geschäften, darunter Bekleidungs-, Blumen-, Buch- und Weinläden, die die Plakate ausstellen und teils auch auf andere Art auf das Thema aufmerksam machen, zum Beispiel durch das Ansprechen von Stammkunden zur Übernahme von Patenschaften für Stolpersteine. Ein Bekleidungsgeschäft hat sogar schon eine Patenschaft zugesagt. Wir sind leider nicht in der Lage, alle Inhaberinnen und Inhaber persönlich anzusprechen, und würden uns freuen, auch auf diesem Weg neue Interessentinnen und Interessenten zu gewinnen. Sie können gern per E-Mail oder telefonisch Kontakt aufnehmen. Unser Projekt geht ja bis zum 27. Januar, dem Holocaust-Gedenktag; bis dahin sollten möglichst viele Geschäfte teilnehmen, die zumindest an diesem Tag, gern aber auch über den gesamten Zeitraum das Plakat ausstellen. Am 27. Januar 2021 möchten wir in den sozialen Medien unter dem #WeRemember möglichst viele so gestaltete Schaufenster abbilden.“
Wie viele Geschäftsinhaber in Rosenheim waren 1938 und in den Folgejahren von den Zwangsverkäufen betroffen?
„In Rosenheim gab es 1933 elf jüdische Geschäfte, überwiegend in der Bekleidungsbranche. Viele mussten schon vor dem 9. November 1938 aufgeben, da sie von den Nazis sehr bedrängt wurden. Darunter waren die Familien Fichtmann, Schönwald und Wiener. In der Pogromnacht wurden zwei jüdische Geschäfte verwüstet, das der Familie Obernbreit in der Gillitzerstraße/Ecke Herzog-Otto-Straße und das der Familie Westheimer am Ludwigplatz.“
Sind auch Inhaber bereit mitzuwirken, deren Geschäft nach wie vor im Besitz der Familie ist, die damals von der „Arisierung“ profitiert hat?
„Wir haben noch nicht zu allen Inhabern Kontakt aufgenommen, so dass ich diese Frage nicht abschließend beantworten kann.“
In den letzten Jahren war von wieder verstärktem Antisemitismus die Rede und unter anderem eine stetig steigende Zahl von diesbezüglichen Straftaten sowie eine Reihe von Umfragen belegen dies leider auch. Ist davon auch bei der Durchführung der Plakataktion oder ähnlichen Anlässen etwas zu bemerken?
„Glücklicherweise sind bisher keine antisemitischen Bemerkungen oder gar Handlungen zu verzeichnen. Gerade der Blumenladen „Flower Power“ berichtet im Gegenteil von viel Zuspruch zu ihrer schönen Aktion.“  nu
Bild: Der Rosenheimer Geschäftsinhaber Alexander Wiener, 1942 in Maidanek ermordet.
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