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Bedroht nach 35 Millionen Jahren
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Bedroht nach 35 Millionen Jahren

Hilfe für Igel im eigenen Garten

Oh, ein Igel! Mindestens bei Kindern, oft auch bei Erwachsenen löst es große Freude aus, wenn eins der stachelbepelzten Geschöpfe im dämmerlichen Garten herumschnuffelt.

Sie sind aber auch etwas besonderes: Igel gibt es schon seit ungefähr 35 Millionen Jahren, und ihre Vorfahren tauchten kurz nach dem Aussterben der Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren auf. Und sie sind kälteerprobt, die Igel: die Ur-Ur-Ur-Großeltern des Exemplars, das gerade durch den Garten strolcht, haben, anders als etwa Wollnashorn oder Mammut, sogar die letzte Eiszeit überstanden.

Als Gattung haben die erstaunlichen Tiere sich also bisher als überaus überlebensfähig erwiesen – was aber, wie es aussieht, nicht so bleiben wird. So traurig es ist: was Eiszeiten und Jahrmillionen der Evolution nicht geschafft haben, die Menschen bekommen es in kürzester Zeit hin. Bodenversiegelung und industrielle Landwirtschaft mit ihren Monokulturen und Insektiziden verdrängen den Igel aus seinem Lebensraum, der Klimawandel verringert das Nahrungsangebot, das überwiegend aus Insekten besteht, dazu kommen Laubsauger, Mähroboter, Motorsensen, und natürlich der Autoverkehr. Die Bestände schrumpfen, seit 2017 stehen Igel in Bayern auf der Vorwarnliste der roten Liste gefährdeter Arten.

Höchste Zeit also, den Igeln zu helfen. Am einfachsten ist das für Gartenbesitzer. Sie können zum Beispiel jetzt im Herbst ganz leicht zur Vorbereitung aufs Überwintern beitragen, indem sie den Igeln mit einem dichten Laub- oder Reisighaufen einen passenden Schlafplatz bieten. Wer sich mehr ins Zeug legen will, stellt ein Igelhäuschen auf, zum Beispiel in Form einer Obstkiste, die nur einen katzensicheren Eingang von ca. zehn Zentimetern braucht. In einen ruhigen, wettergeschützten Teil des Gartens, an die Wand des Gartenhäuschens oder unter die Hecken stellen und die Kiste mit Laub und Reisig füllen, fertig ist das Igelschlafzimmer. Kein Styropor oder anderes künstliches Material zur Isolierung verwenden! Ganz ambitionierte Igelfreunde suchen sich eine Bauanleitung fürs Igelhäuschen im Internet.

Bevor es an den Winterschlaf geht, müssen Igel sich einen Winterspeck anfressen. Hier gilt, dass sie umso mehr Nahrungstiere wie Käfer, Raupen, Schnecken und Regenwürmer im Garten finden, je naturnäher jener ist. Ab Oktober lässt das Nahrungsangebot aber auch im naturbelassenen Garten nach. Zusätzliche Nahrung in Form von Katzenfutter oder Rührei wird gern gefressen. Keine Milch und kein rohes Ei geben! Beides kann Durchfall verursachen und den Igel schwächen. Wer Apfel- oder Birnbäume im Garten hat, kann einen Teil des heruntergefallenen Obstes im Gras liegenlassen. Igel fressen zwar nicht das Fruchtfleisch, wohl aber die sich darin tummelnden Würmer. Als hilfreich hat sich ein Futterhäuschen für Igel bewährt, wie es zum Beispiel die Igelhilfe Amerang anbietet. Weitere Informationen unter wildtierhilfeamerang.org.

Und natürlich wissen verantwortungsbewusste Gartenbesitzer, dass Mähroboter nur tagsüber betrieben werden dürfen, wenn die Igel nicht zur Futtersuche unterwegs sind. Auch wenn die Hersteller Werbung damit machen, dass ihre Geräte über einen Igelschutz verfügen würden – Naturschützer und Organisationen wie die Deutsche Wildtier Stiftung (deutschewildtierstiftung.de) warnen regelmäßig eindringlich davor, dass auch Geräte mit entsprechenden Sensoren Igel allzu oft nicht als Hindernis erkennen. Seit die bequemen Mähroboter Mode geworden sind, bekommen Wildtier-Auffangstationen immer mehr Igel mit schweren Schnittverletzungen gebracht. Und das sind nur die, die den Unfall – erstmal – überhaupt überlebt haben. Viele sterben trotz Pflege noch.
Dabei ist es leicht, den Igeln zu helfen. Wer einen Garten hat, mäht mit dem Rasenmäher oder lässt den Robotor nur tagsüber ans Gras, lässt Laubhaufen liegen und Wildblumen wachsen, und bietet den Igeln einen Unterschlupf.
Damit auch zukünftige Generationen noch freudig ausrufen können: oh, ein Igel! gh

Foto: Wolfgang Hock

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