Im Gespräch mit Alexander Tauscher von der Handwerkskammer
Eigentlich gibt es in unserem Land viel zu tun: Klima-, Verkehrs- und Energiewende stehen ganz oben auf der politischen Agenda aller Parteien. Doch deren Umsetzung braucht Fachkräfte: zum Umrüsten der Heizungen weg von Gas und Öl zu moderner Klimatechnik, zur Wärmedämmung von Gebäuden, dem Einbau neuer Fenster und vieles mehr. Die Auftragsbücher der Handwerksbetriebe sind jedenfalls gefüllt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben gut zu tun. Was aber dringend fehlt, das sind die Fachkräfte. Nun machte vor Kurzem der CSU-Bundestagsabgeordnete Alexander Engelhard, selbst gelernter Müller, einen ungewöhnlichen Vorschlag: Er könne sich ein „Freiwilliges Handwerker-Jahr“ vorstellen, das Jugendliche und junge Erwachsene direkt nach der Schulzeit für eine handwerkliche Ausbildung begeistern und ohne Zeitverlust auf eine etwaige spätere Lehre angerechnet werden könne. Ein Vorstoß, dem auch die Handwerkskammer für München und Oberbayern einiges abgewinnen kann, wie deren Sprecher Alexander Tauscher in einem Gespräch mit unserer Zeitung erklärte.
Herr Tauscher, kann das „Freiwillige Handwerker-Jahr“, ein Baustein für die Nachwuchswerbung sein?
„Wir sind diesem Vorschlag gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen. Alle Angebote, die jungen Menschen berufliche Perspektiven abseits des Hörsaales an Universitäten eröffnen, begrüßen wir sehr. In Deutschland fehlen rund 250 000 Fachkräfte im Handwerk, Tendenz steigend. Die anvisierten Ziele im Klimaschutz und bei der Energiewende können nur dann erreicht werden, wenn es genügend qualifizierte Handwerker gibt!“
Die IHK München und Oberbayern rechnet gar damit, dass in Bayern bis zum Jahr 2030 etwa 1,3 Millionen Arbeitskräfte fehlen werden. Wie können Wirtschaft und Politik dieser Entwicklung entgegentreten?
„Leider hat es uns die Pandemie in den letzten zwei Jahren sehr schwer gemacht: Ausbildungsmessen, bei denen sich die Betriebe vorstellen konnten, wurden abgesagt, Praktika für junge Menschen waren kaum möglich. Jetzt hoffen wir, dass diese Form der Nachwuchswerbung, der unglaublich wichtige persönliche Kontakt zwischen Unternehmen und Jugendlichen wieder Fahrt aufnehmen kann. Grundsätzlich gilt es, auf allen gesellschaftlichen Ebenen für Verständnis zu werben: Eine berufliche Ausbildung und ein Studium sind gleichwertig! Im Handwerk sind die Zukunftsaussichten hervorragend: beste Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten bis hin zur Selbstständigkeit und gute Verdienstmöglichkeiten, die denen von Hochschulabsolventen in nichts nachstehen. Das Handwerk verdient viel mehr Wertschätzung, und da sind Politik, Gesellschaft, Schulen und auch die Eltern gefragt! Dazu gehört, dass die berufliche Bildung in gleichem Maße politisch anerkannt und gefördert gehört. Die Schulen sollten noch viel mehr praktische Fertigkeiten fördern und die Karrieremöglichkeiten im Dualen Ausbildungssystem als echte Alternative zum Studium aufzeigen. Und nicht zuletzt sollten auch Eltern ihren Kindern die Möglichkeit geben, ihre Interessen und Stärken frei zu entfalten, und geistige wie manuelle Fähigkeiten gleichermaßen fördern.“
Stichwort „Duale Ausbildung“, ein international anerkanntes Erfolgsmodell.
„In der Tat, mit dem Nebeneinander von betrieblicher und schulischer Ausbildung ist eine optimale Vorbereitung der jungen Menschen auf das Berufsleben gewährleistet. Mit der entsprechenden Vergütung, der Wertschätzung im Betrieb, können Selbstwertgefühl und das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten wachsen. Und werden die jungen Auszubildenden zu selbstbewussten, hoch qualifizierten Handwerkern. Wenn wir die derzeitige Fachkräftelücke nicht schließen, vergeben wir nicht nur die Chancen für unser Land und unsere Gesellschaft, sondern auch für unsere Kinder!“ ff