Lebensmittel Mehlwurm?
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Lebensmittel Mehlwurm?

Kritik von Maria Noichl MdEP

Gegrillte Heuschrecken oder gegarte Larven? Was in unserem Kulturkreis nach einer „Dschungelprüfung“ im Privatfernsehen klingt, ist bei rund einem Viertel der Weltbevölkerung, in Asien, Australien oder Afrika, ganz selbstverständlich: der Verzehr von Insekten.
In Europa werden Produkte aus und mit Insekten überwiegend online verkauft und haben immer noch „Exotenstatus“. Doch das könnte sich vielleicht mit einer Entscheidung der Europäischen Union Anfang des Monats ändern: Die EU-Länder stimmten nämlich einem Vorschlag der Kommission zu, Mehlwürmer, als erstes Insekt überhaupt, als Lebensmittel zuzulassen. Der Verzehr von getrockneten, gelben Mehlwürmern soll künftig erlaubt sein; zuvor hatte bereits die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit ihre wissenschaftliche Bewertung abgegeben.

Das „neuartige Lebensmittel“ könnte nun der EU-Kommission zufolge als Snack oder in gemahlener Form als Zutat in Keks- oder Proteinprodukten Verwendung finden. Die Argumentation in Brüssel: Die Produktion von proteinhaltigen Mehlwürmern würde verglichen mit Fleisch weniger Ressourcen verbrauchen und könne so zu einem nachhaltigeren Lebensmittelsystem in Europa beitragen.

Die Rosenheimer Europaabgeordnete Maria Noichl und Mitglied im Ausschuss für Landwirtschaft und Ländliche Entwicklung des Parlaments, steht den Plänen allerdings skeptisch gegenüber: „Der Vorschlag der Europäischen Kommission, und das darauf klare Ja der EU-Mitgliedsstaaten, in Zukunft Mehlwürmer als Lebensmittel zuzulassen, hat in Brüssel niemanden überrascht. Seit Längerem wird über die zukünftige „Lücke beim tierischen Eiweiß“ gesprochen. Rechnet man unseren Konsum an Steaks, Milch und Käse auf die steigende Weltbevölkerung um und addiert die Schwellenländer dazu, dann ist eines klar: Unser Ernährungsstil würde nicht für die ganze Welt möglich sein. Jetzt sollen das Problem getrocknete Larven des Mehlkäfers Tenebrio molitor richten. Im Ganzen oder gemahlen sind sie, so das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), als geeignet für den menschlichen Verzehr eingestuft.

Die Befürworter reden von der Einsparung von CO2 Äquivalente, Landfläche oder die Möglichkeit Sojafuttermittel durch Mehlwürmer zu ersetzen.“
Von den angeführten Vorteilen der neuartigen Lebensmittel zeigt sich Maria Noichl nicht überzeugt und gibt zu bedenken: „Derzeit ist die Produktion noch nicht wirklich umweltschonend möglich. Der Stromverbrauch ist gigantisch und Tierschutzthemen speziell für Insekten noch nicht ausreichend erforscht. Auch die Gefahr ungeplanter „Auskreuzungen“ muss erwähnt werden. Doch meine Skepsis ist maßgeblich dadurch begründet, dass Mehlwürmer dafür sorgen sollen, dass wir unser Essverhalten auch in Zukunft nicht wirklich überdenken müssen. Landwirtschaft heißt für mich: nachhaltiges Wirtschaften auf dem Land, mit dem Boden und in der Natur. Segregative, abgespaltene Systeme können vielleicht Nahrungsmittel erzeugen, Lebensmittel brauchen aber einen ganzheitlichen Ansatz und eine Erzeugung nicht neben, sondern mit der Natur. Das integrative Modell ist die Zukunft, mit weniger Fleisch und mehr Vielfalt, regional und saisonal.“ ff

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