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Störche im Aufwind

Vier Jungtiere bei der Firma Alpma

Es ist ein schönes Bild, wenn man vor dem Haupteingang der Firma Alpma in Lengdorf steht und Richtung Rotter Kirchturm schaut: Am Himmel kreisen sechs Weißstörche und lassen sich von der Thermik in die Höhe tragen. Es ist ein Elternpaar mit seinen vier Jungen, denen das intensive Rot von Schnabel und Beinen noch fehlt.
Bis vor wenigen Jahren gab es im Landkreis Rosenheim keine Weißstörche mehr. Erst 2014 begann ein Paar, erfolgreich auf dem Kamin der Firma Alpma in Rott zu brüten. Es wurde eine Erfolgsstory daraus: zuerst ein, dann zwei, drei und 2018 zum ersten Mal vier flügge Jungstörche! Vorher unternahmen die Vögel vergebliche Brutversuche auf Strommasten in der Nähe und auf dem Kamin.
Werner Zuschke, ein Mitarbeiter der Firma Alpma, freut sich über die Weißstörche. Sie sitzen oft auf den Masten neben dem Firmenschild an der B 15, als wollten sie Werbung für ihren Hausherren machen. „Es ist schön, dass es den Vögeln so gut bei uns gefällt, auch unsere Kunden sind begeistert, wenn sie die Störche sehen!“ Nachdem der Kamin und dabei auch der Unterbau des Nestes erneuert wurde, haben sie hier optimale Nistmöglichkeiten: Eine gute Anflugmöglichkeit ohne Hindernisse, eine perfekte Rundumsicht, ein großes Nest und eine Menge zu Beobachten von der Aussichtswarte, denn Weißstörche lieben belebte Plätze.
Als Ausgleich für das durch die Parkplatzerweiterung verkleinerte horstnahe Grünland wurde 2017 durch die Firma Alpma am nahe gelegenen Rabenbach eine Blumenwiese mit autochthonem (in der Region heimischem) Saatgut und feuchten Vertiefungen angelegt. Ein Landwirt mäht die Wiese streifenweise, sodass sie sehr gut für die Nahrungssuche der Weißstörche geeignet ist.

Im letzten Winter blieben die Altstörche zum ersten Mal in Rott. Richard Straub, ein Storchenexperte des Landesbundes für Vogelschutz (LBV) aus dem Landkreis Ebersberg, der sich seit Jahrzehnten für den Schutz der Vögel einsetzt, bestätigt diese Entwicklung. „Dieser Trend ist in ganz Deutschland festzustellen, darf aber keinesfalls durch Zufütterung unterstützt werden. Es besteht dann die Hoffnung, dass sich die Jungstörche wieder zu echten Zugstörchen entwickeln und nicht zum Überwintern verleiten lassen.“

Überwinternde Störche besetzen ihre Horste oder die ihrer ziehenden Kollegen vor deren Ankunft aus dem Winterquartier und verschaffen sich damit einen Vorteil zulasten der ziehenden Wildstörche.

Wie Straub erzählt, ist ein Grund für die Überwinterung vieler Störche eine äußerst fragwürdige Weißstorchzucht in der Schweiz und vor über 30 Jahren auch in Baden Württemberg. Aufgrund völlig verfehlter Stützungsmaßnahmen für den Weißstorch wurden, dem Naturschutz zum Trotz, auf Druck der Tourismusbranche von der Politik eingekaufte Störche aus unterschiedlichsten Ländern in Großvolieren gekreuzt. Dies geschah ohne Rücksicht auf deren Zugverhalten (Ost- oder Westzieher) und sogar mit nordafrikanischen Störchen vermischt, sagt der Storchenexperte. Das Ergebnis sind überwinternde Störche, die ihre Fehlprägung über Generationen an ihre Nachkommen vererbt haben und immer noch weitergeben. Mitunter mag auch die Klimaerwärmung noch fördernd dazu beitragen.

„Im 19. Jahrhundert gab es noch viele Weißstörche in Deutschland“, erläutert der Fachmann. „Durch den Verlust an Feuchtgebieten, die Umwandlung von Wiesen in Maisäcker und den Einsatz von Insektiziden kam es zur Nahrungsverknappung und die Zahl der Störche ging zurück. 1988 wurden in ganz Bayern nur noch 58 Brutpaare gezählt.“ Häufigste direkte Todesursache sind aber immer noch nicht ordentlich gesicherten Stromleitungen und -masten.
Durch ein vom LBV seit 1984 durchgeführtes Artenhilfsprojekt konnte der Abwärtstrend jedoch gestoppt werden, sodass ihre Zahl in den letzten Jahren wieder zugenommen hat. In der überarbeiteten Roten Liste Bayern der Brutvögel/Stand 2016 konnte der Weißstorch sogar als „nicht gefährdet“ herabgestuft werden. „Ein großer Erfolg für den LBV“, freut sich Richard Straub.

Margit Böhm von der unteren Naturschutzbehörde, die das Projekt vonseiten des Landratsamtes Rosenheim betreut, freut sich über den Erfolg des Rotter Paares. „Es ist schön, dass die Weißstörche wieder in den Landkreis Rosenheim zurückgekehrt sind, sich hier wohlfühlen und unsere Heimat mit ihrer Anwesenheit bereichern. Die Vögel wie auch andere Rückkehrer, die früher bei uns heimisch waren, schaffen ein Stück Lebensqualität für uns alle, der Wert kann nicht hoch genug angesetzt werden.“ Vonseiten des Landratsamtes geht ein großer Dank an die Firma Alpma, die Gemeinde Rott und an Herrn Straub für die hervorragende Zusammenarbeit beim Schutz und zum Wohl der Weißstörche.“
Bei Fragen kann man sich gerne an Margit Böhm, Landratsamt Rosenheim, Telefon 0 80 31/3 92 64 01 wenden. Auch Meldungen und Beobachtungen werden gerne angenommen.

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