Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe: Kitas sollen Impfmuffel melden
Nicht erst seit dem kürzlich auch in Deutschland gezeigten Kinofilm „Vaxxed“, der Impfungen in Verbindung mit Autismus bringt, ist das Thema Impfschutz in der öffentlichen Diskussion. Die Auseinandersetzung polarisiert, heftig gestritten wird vor allem um die Impfpflicht, wie sie etwa in den USA und Frankreich besteht und in Italien aktuell eingeführt worden ist.
Das südeuropäische Land reagierte damit auf die steigende Zahl an Masernfällen. Wenn in Italien ein Kind bis zum Alter von sechs Jahren nicht geimpft ist, wird es nicht in Krippen, Kindergärten oder Vorschulklassen aufgenommen. Eltern von nicht geimpften, schulpflichtigen Kindern ab sechs Jahren müssen hohe Bußgelder zahlen. Der deutsche Bundesminister Hermann Gröhe hat nun einen Gesetzentwurf vorgelegt. Bereits jetzt schreibt das Präventionsgesetz aus dem Jahr 2015 vor, dass bei der Aufnahme eines Kindes in die Kita ein Nachweis über eine ärztliche Impfberatung vorgelegt werden muss. Mit dem neuen Gesetz soll diese Beratungspflicht nochmals verschärft werden. Künftig sollen nämlich Kindertageseinrichtungen verpflichtet werden, Eltern, die diese vorgeschriebene Impfberatung verweigern, an das Gesundheitsamt zu melden. Den Erziehungsberechtigten würden in diesem Falle empfindliche Geldstrafen drohen. Der Bundestag hat dieses Gesetz letzte Woche verabschiedet und folgte damit der Argumentation des Bundesgesundheitsministers. Er bezeichnete das Gesetz als „wichtigen Schritt“ zum besseren Schutz vor Krankheiten und bemängelte, dass die Impflücken immer noch zu groß in Deutschland seien.
Dieser Analyse schließt sich auch Dr. Fritz Ihler, Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbandes Rosenheim, an: „Wir Ärzte sehen eine große Impflücke bei der Masernimpfung. Für die Gesundheit aller ist es wichtig, Impflücken zu schließen. Unsere von uns demokratisch gewählte Regierung hat hier die Aufgabe, entsprechende Gesetze und Verordnungen in Kraft zu setzen. Die jetzt geplante verpflichtende Beratung wird von uns begrüßt.“
Auch Dr. Max Kaplan, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK), hat sich in der gegenwärtigen Debatte um ein härteres Vorgehen der Bundesregierung gegen Impfgegner öffentlich zu Wort gemeldet: „Impfungen gehören zu den wirksamsten präventiven Maßnahmen der Medizin. Moderne Impfstoffe sind gut verträglich und unerwünschte Arzneimittelwirkungen werden nur in extrem seltenen Fällen beobachtet und stehen in keinem Verhältnis zu den möglichen Komplikationen, die bei den Erkrankungen auftreten können, gegen die wir in Deutschland impfen“. Harte Zwangsmaßnahmen sind für Kaplan jedoch nur die allerletzte Alternative; er spricht sich jedoch für einen Nachweis über eine Impfberatung beim Haus- oder Kinderarzt aus, geht es um einen Platz in Kita, Kindergarten oder Hort.
Kaplan appelliert an die Vernunft und an die Solidarität: „Für einen ausreichenden Impfschutz der Patienten zu sorgen, ist eine wichtige Aufgabe unserer ärztlichen Tätigkeit.“ Daher sei der frühzeitige Beginn der Grundimmunisierung bei Säuglingen und Kleinkindern zeitgerecht durchzuführen. Aus ärztlicher Sicht könne man von unterlassener Hilfeleistung und von Vernachlässigung elterlicher Fürsorgepflicht sprechen, wenn einem Kind der derzeit mögliche Schutz vor impfpräventablen Erkrankungen vorenthalten wird. Schutzimpfungen seien dabei nicht ausschließlich eine individualmedizinische Maßnahme. „Wer sich und seine Kinder impfen lässt, schützt nicht nur sich selbst, sondern auch alle Menschen, die mit ihm in Kontakt treten. Impfen ist ein Gebot der Solidarität aller mit allen“, so Kaplan. „An Masern müssten heute keine Menschen mehr sterben, daher spreche ich mich für die verpflichtende Impfberatung aus. Den Forderungen nach einer Impfpflicht, die bereits von der Politik diskutiert wird, möchte ich mich nicht anschließen, letztendlich aber auch nicht ausschließen“, sagt Bayerns Ärzte-Chef.
Der Bundesrat muss übrigens dem vom Bundestag verabschiedeten Gesetz noch zustimmen, bevor es in Kraft treten kann. Und dessen Ja dazu gilt als überhaupt nicht sicher; die Länderkammer hat nämlich in einer Stellungsnahme im Vorfeld die Datenweitergabe an die Gesundheitsämter deutlich abgelehnt. Man befürchtet damit eine Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Kita und Eltern.