Finger weg von vermeintlich hilflosen Vogeljungen!
In ganz Bayern stehen seit Kurzem die Telefone in den LBV-Geschäftsstellen nicht mehr still. Besorgte Tierfreunde melden sich mit verzweifelten Nachfragen und wollen scheinbar verlassenen Jungvögeln helfen. Der LBV rät hier erstmal: Finger weg! „Die unerfahrenen und im Fliegen noch etwas ungeübten Vogeljungen wirken zwar hilflos, sie aufzunehmen ist jedoch falsch verstandene Tierliebe“, so der LBV-Artenschutzreferent Dr. Andreas von Lindeiner. Der LBV bittet alle Vogelfreunde, die halbflüggen, so genannten Ästlinge einfach sitzen zu lassen. Weitere hilfreiche Tipps und ein kostenloses Faltblatt gibt es unter www.lbv.de/vogel-gefunden.
Scheinbar verlassen sitzen derzeit in Wiesen oder auf Wegen noch nicht ganz flugfähige Jungvögel, die herzzerreißend rufen. Dies sind jedoch keine Hilfeschreie, sondern Bettelrufe, mit denen die jungen Vögel Kontakt zu ihren Eltern halten. Die halbflüggen Vogeljungen halten sich in der näheren Umgebung des verlassenen Nestes auf und werden von den Eltern versorgt. „Die Jungvögel sollten unbedingt an Ort und Stelle gelassen werden, denn greift der Mensch in diese sensible Phase ein, unterbricht er die Bindung zwischen Alt- und Jungvogel“, erklärt Dr. Andreas von Lindeiner. Tatsächliche Hilfe benötigen befiederte Jungvögel nur, wenn nach zwei bis drei Stunden immer noch kein Altvogel in seiner Nähe zu sehen ist. Bei Gefahr durch Katzen oder Straßenverkehr kann ein Jungvogel kurz aufgenommen und anschließend ohne Probleme wieder zurück in eine schützende Astgabel am Fundort gesetzt werden. Anders als bei zum Beispiel Rehkitzen nehmen Vogeleltern ihre Jungen wieder an, wenn diese von einem Menschen berührt wurden.
Der LBV stellt klar: Jungvögel sind Wildtiere, ihnen darf nur im echten Notfall geholfen werden. Ansonsten ist dies ein Verstoß gegen das Naturschutzgesetz. Als Haustiere sind sie keinesfalls geeignet und die Chance für eine erfolgreiche Aufzucht in menschlicher Obhut ist sehr gering. Wer Hauskatzen besitzt und trotzdem Vogelkinder in seinem Garten haben will, sollte seinen Stubentiger für ein paar Tage zumindest morgens und abends im Haus halten. „Die beste Vogelhilfe ist jedoch ein naturnaher Garten mit abwechslungsreichen, einheimischen Pflanzen, wo sich die Vögel sicher verstecken können“, so der Biologe.
Wenn die jungen Vögel ihren Nistplatz verlassen haben und ihr Abenteuer in der weiten Welt beginnen, machen sich die Vogeleltern vieler Vogelarten an eine zweite und dritte Brut. „Viele Leute glauben, die Brutsaison sei der Frühling, aber Gartenvögel wie die Kohl- und Blaumeise brüten bis zu dreimal in einem Jahr bis in den August hinein“, weiß von Lindeiner. Wer einen Nistkasten besitzt, muss diesen nach der ersten Brut nicht säubern. Nur wenn mit absoluter Sicherheit über etwa fünf Tage hinweg kein Vogel ein- und ausfliegt, kann man die Nisthilfe reinigen. Ansonsten ist das Entfernen eines Nestes aber eine Straftat nach dem Bundesnaturschutzgesetz.